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Mode

Lifestyle Hat- und Neckwear aus Mainfranken Foto: P.A.C. GmbH

MODE MADE IN MEINFRANKEN

Zehn Prozent der weltweiten Treibhausgas­emissionen entstehen bei der Herstellung von Kleidung und Schuhen. Rund 2700 Liter ­Wasser benötigt die Herstellung allein eines T-Shirts. Die Bekleidungsbranche gilt als eine der schmutzigsten der Welt. Immer stärker nimmt die ­Politik deswegen die Hersteller in die Pflicht. Seit Jahren schon gilt in der EU bereits mit der „Extended Producer Responsibility“ (EPR), die „erweiterte Herstellerverantwortung“. Firmen müssen re­cyclingfähige Materialien und Waren produzieren, recycelte Fasern verwenden und die Entwicklung von Zukunftstechnologien zur Aufbereitung und Verwertung der Fasern aus Alttextilien fördern. EPR trifft nicht nur produzierende Unternehmen, die für den gesamten Lebenszyklus der Ware verantwortlich sind, sondern auch Händler und Importeure, die Waren in den Verkehr ­bringen.

Mit dem Green Deal veröffentlichte die EU-Kommission im Jahr 2022 zudem eine Textilstrategie als Teil des Maßnahmenplans für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Ziel ist, die Recyc­ling-Quote im Bekleidungssektor zu erhöhen, um bis 2050 den Übergang hin zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu schaffen. Viele Unternehmen befürchten nicht zu Unrecht zu viel Bürokratie, denn die Regelungen sind kompliziert und die Vorgaben müssen auch umsetzbar bleiben. Vor allem kleinere Labels aber sehen in der Idee zu mehr Nachhaltigkeit auch eine Chance.

Zu ihnen gehört beispielsweise WOTE aus Würzburg. Ihre beiden Gründer wollen eine Alternative zu den Fast Fashion Brands bieten, die Initialien des Firmennamens stehen für ­Water, Ocean, Trees, Earth. Britta Doppelfeld und Matthias Jobst wollen nachhaltig und fair in Europa produzierte Kleidung mit Qualität und zeitlosem Design in Einklang bringen. Und auch „second life“ spielt für sie beim Einsatz für nachhaltigen Konsum eine immer größere Rolle. Second Hand-Textilien werden zusammen mit einer lokalen Schneiderin und neuem Style aufgearbeitet und kommen als Unikate wieder in den Verkauf. Vertrieben werden die Textilien aktuell ausschließlich online.

Bereits im Jahr 2012 hat Nachhaltigkeit als ein grundlegender Ansatz den damals 23-jährigen Lukas Weimann aus Schweinfurt zur Gründung seines Labels bewegt. P.A.C. ist heute ein fami­liengeführter Spezialist für Textilaccessoires – Head-, Neck- und Knitwear sowie Funktionssocken – mit Produktionsstätten in Deutschland und Italien und einem bedeutenden Kundenstamm auf der ganzen Welt. Selbst nach Asien exportieren die Schweinfurter ihre Multifunktionstücher, die kühlen oder ­wärmen, Feuchtigkeit transportieren oder vor UV-Strahlung schützen. Eigene Stromproduktion, Wiederverwertung von PET und Meeresplastik und Verwendung von wasserbasierten oder gar pflanzlichen Farbstoffen sind ebenso Standard wie die soziale Inklusion in der Produktion. Ihren zehnten Firmen­geburtstag konnten die rund 80 Mitarbeiter bereits in der neuen „P.A.C. Green Factory“ am Standort feiern. Die CO2-optimierte Textilmanufaktur ist umfassend digitalisiert und bietet auf 6000 Quadratmetern Platz für Produktion und Logistik sowie weitere 1200 Quadratmeter Büroflächen für bis zu 200 Personen. 2023 wurde P.A.C. mit dem Bayerischen Mittelstandspreis für herausragende unternehmerische Leistungen als tragende Säule der bayerischen Wirtschaft und Gesellschaft ausgezeichnet und als „Bayerns Best 50“ des Jahres 2023 geehrt.

Eine Näherin bei P.A.C. in Schweinfurt Foto: P.A.C. GmbH
Eine Näherin bei P.A.C. in Schweinfurt Foto: P.A.C. GmbH

Ähnlich klein hat einst auch s.Oliver Inhaber Bernd Freier im Jahr 1969 begonnen – mit einer 25 Quadratmeter kleinen ­Boutique namens „Sir Oliver“ in Würzburgs Innenstadt. Aus einfachen Verhältnissen kommend, wählte der Gründer ­Oliver Twist als Namensgeber für sein Geschäft – ein Junge, der sich mit viel Mut aufmacht, um sein Glück zu suchen. Was ohne Zweifel gelungen ist. Heute ist die Firmengruppe mit einem Markenumsatz von 915 Mio. Euro im Jahr 2021 eines der größten ­europäischen Fashion- und Lifestyle-Unternehmen und auf allen Kontinenten präsent. Schon seit vielen Jahren ziert der Schriftzug s.Oliver nicht nur Kleidungsstücke, auch Lizenzen für Parfüm, Accessoires, Brillen, Schmuck, Uhren und Heimtextilien werden vergeben. Der Erfolg des Modeunternehmens, das über 5100 Menschen auf der ganzen Welt beschäftigt, ­davon rund 1600 in der Region, wird aus dem kleinen Rottendorf bei Würzburg gesteuert.

Das Unternehmen wächst stetig, auch dank der Bildung und Positionierung neuer Marken wie ­Comma, Liebeskind Berlin oder Copenhagen Studios. Um die hochentwickelten Logistikprozesse abbilden zu können, investiert die Gruppe aktuell einen hohen zweistelligen Millionen­betrag in ein neues Logistikzentrum in Dettelbach, das ab 2024 mit einer Nutzfläche von 78.000 Quadratmetern nahezu alle Logistikprozesse der Marken abbilden wird und für rund 60 Mio. Teile Warenausgang im Jahr ausgelegt ist.

Eine ebenso beeindruckende Erfolgsgeschichte kann Drykorn vorweisen. Unternehmensleitung, Verwaltung sowie Design, Produktmanagement und Logistik des Labels befinden sich am Firmensitz in Kitzingen. Von Marco Götz im Jahr 1996 aus einem Faible für Damen- und Herrenhosen heraus gegründet, hat sich das Unternehmen innerhalb weniger Saisons zu einem Komplettanbieter und internationalen Modelabel ent­wickelt. Es genießt bei seinen Fans Kult-Status und steht für eine nachhaltige Vorstellung – beispielsweise pflanzt die Firma für jede Bestellung, die nicht vollständig retourniert wird, ­einen Baum-Setzling in den Mangrovenwäldern auf Madagaskar – und ­besondere ­Qualität in einer gehobenen Preisklasse. Über zwei Drittel aller Bekleidungsstücke werden in Europa pro­duziert. „Metropolitisch, erreichbar und progressiv“ sind die Eigenschaften, über die sich das Label definiert und stilsichere ­Individualisten anspricht – auch mit eigenen Stores in euro­päischen Metropolen. Für die nächsten Jahre wollen die Kitzinger glo­baler werden und ihren Exportanteil weiter erhöhen.

Die 1982 gegründete Minx Fashion GmbH macht sich nach der Übernahme und Sanierung durch Philipp von Ilberg, Marcus Kossendey und Alexander Heyduck 2017 auf, den ­europäischen Markt zu erschließen. Neben der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz), die den Kernmarkt repräsentiert, haben die Schwarzacher dabei das europäische Ausland im Fokus. Ihr Label Minx ist eine Premium Ready-To-Wear-Kollektion für stilbewusste Frauen. 

Zeitlose Mode made in Mainfranken von WOTE Foto: WOTE
Zeitlose Mode made in Mainfranken von WOTE Foto: WOTE

Das zweite Label Sallie ­Sahne richtet sich auf dem gleich hohen Niveau an Größen von 42 bis 54. Besonders der Sinn für zeitlose Eleganz, Qualität und das Bewusstsein für das Schneiderhandwerk zeichnet ihre Arbeit aus. Anja ­Diskin, die zuvor bei namhaften Labels in der ­Haute Couture tätig war, trägt die Verantwortung für das Design, das im hauseigenen Musteratelier für die Produktion „Made in ­Europe“ – vornehmlich in Italien und Osteuropa – vorbereitet wird. Zwei Hauptkollektionen und zwei Zwischenkollektionen mit jeweils rund 80 bis 20 Styles entwickeln die aktuell 20 Mitarbeiter im Jahr.

MINX ist eine Premium Ready-to-wear Kollektion für stilbewusste Frauen. Foto: MINX Fashion GmbH
MINX ist eine Premium Ready-to-wear Kollektion für stilbewusste Frauen. Foto: MINX Fashion GmbH

Seit 1991 designt, produziert und vertreibt Authentic Style mit Sitz in Marktbreit Mode für junge Menschen. Die Leitung der Firma hat bereits die zweite Generation der Familie über­nommen. Das Unternehmen hat sich mit Eigenmarken wie Eight2Nine oder SkyRebel zu einem führenden Modeanbieter im Young-Fasion-Bereich entwickelt. Es ist sowohl in B2C- wie auch B2B-Bereich tätig und deckt den gesamten Wertschöpfungsprozess ab, von der Produktion bis zum Versand.

In der Reihe der mainfränkischen Modemacher mit langer ­Tradition darf die Czerny Manufaktur GmbH aus Ge­münden nicht fehlen, ein Unternehmen mit bereits über 80 Jahren ­Geschichte in der Modebranche. Mit den Schwestern ­Magdalena Cromme und Eva-Maria Czerny ist hier bereits die dritte Generation im 1941 gegründeten Betrieb in Verantwortung. Überregional bekannt wurde das Unternehmen vor allem durch Landhausmode und das 1984 kreierte Label „Basset“, das nun jedoch Geschichte ist. Es wurde im Jahr 2021 von der 2014 gegründeten und parallel entwickelten Marke „Von&Zu“ vollständig abgelöst. Damit reagierte das Modeunternehmen auf den geänderten Anspruch ihrer Kundinnen. Die heutige Zielkundin ist nicht unbedingt jünger, sondern mindestens 35 Jahre alt, aber jünger im Denken. Das neue Label ist daher ­progressiver und verspricht unkomplizierte Mode, die funktioniert, aber trotzdem gut ausschaut. Vor allem aber setzen die Gemündener Modeschöpferinnen mit der neuen Marke aus Gründen der Nachhaltigkeit konsequent auf Limitierung. Sie produzieren ausschließlich in der EU nachfrageorientiert nur das, was der Handel auch vorbestellt. Aktuell beschäftigt das Unternehmen rund 25 Mitarbeiter in der Manufaktur in Gemünden, wo die Kollektionen entworfen und Musterstücke gefertigt werden.

Der sich stets weiter entwickelnde Stil von MINX besticht durch einen mühelos-eleganten Look und setzt sich aus zeitlosen Klassikern mit einem Contemporary-Twist zusammen. Foto: MINX Fashion GmbH
Der sich stets weiter entwickelnde Stil von MINX besticht durch einen mühelos-eleganten Look und setzt sich aus zeitlosen Klassikern mit einem Contemporary-Twist zusammen. Foto: MINX Fashion GmbH

Ein Nischenanbieter und damit sehr erfolgreich ist schließlich die Ulla Miederfabrik. Was 1949 mit den Firmengründern ­Gerhard und Eleonore Weidauer sowie zwei Nähmaschinen in Leinach bei Würzburg begann, wird seit 2015 in dritter ­Generation von Toni und Stella Weidauer fortgeführt. Der ­Familienbetrieb ­beliefert Fachhändler deutschland- und europaweit mit Dessous, Nachtwäsche und Bademode. Ulla hat sich von ­Anfang an als Spezialistin für große Größen verstanden und führt hierfür neben der Ulla Lingerie Féminine Kollektion ein Sortiment an verschiedensten Marken. Gefertigt wird der ­Großteil der Produkte am Standort und zudem in zwei kleineren Betrieben in Lettland und Slowenien.

Gut, dass der Modebereich auch für Existenzgründer interessant bleibt. Das Fashion-Start-Up Deetory in Winterhausen ist dafür ein gutes Beispiel. Sebastian Becker und Julian Reischmann wollen coole Looks mit gutem Gewissen verbinden und haben sich auf fair produzierte und gehandelte Kleidung fokussiert. Der Kunde entscheidet, an welche Hilfsorganisation das Unternehmen einen Teil seines Gewinns spenden soll. Dazu haben sie eine eigene Währung mit dem Namen „Dees“ eingeführt. Diese erhalten Kunden beim Einkauf im Online-Shop dazu und ­können sie dann beliebig aufteilen.

Mainfranken ist aber nicht nur im kreativen und produzie­renden Bereich „modekompetent“. Die Region ist auch Heimat traditionsreicher Mode-Handelshäuser. Von lokal etablierten, alt­eingesessenen Familienunternehmen wie beispielsweise Schlier in Würzburg, das 2023 sein 180. Firmenjubiläum feiern konnte, der inhabergeführte Würzburger Herrenausstatter Severin oder das Modehaus Iff in Gerolzhofen, über zahlreiche junge, trendige Boutiquen in ganz Mainfranken bis hin zu international agierenden Filialisten wie Frankonia aus Rottendorf. 

Letztere verkaufen seit 1907 gehobene Mode renommierter Marken aus dem klassischen-anglophilen und zeitlos-sportlichen Bereich bis hin zu funktioneller Bekleidung für das Leben in der Natur und haben sich aufgrund der Kompetenz im Jagdwaffenbereich mit hauseigener Büchsenmacherwerkstatt insbesondere als Jagd­ausrüster einen Namen erworben.

Titelbild: Lifestyle Hat- und Neckwear aus Mainfranken Foto: P.A.C. GmbH