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Kultur

Jedes Jahr im Juli zieht das ausgelassene Historienspektakel Tausende von Besucher nach Bad Kissingen und man feiert die Wiederentdeckung der Rakoczy-Quelle im Jahr 1737. Darsteller verkörpern dabei die historischen Gäste der Stadt, von Otto Fürst von Bismarck über Theodor Fontane bis zu Zar Alexander II u.v.m.

Kultur in Mainfranken - viele Formate mit Format

Das Lexikon kennt drei Bedeutungen für das Wort „Format“: die genormten Abmessungen von Papier (also DIN A4 usw.), die Speicherung von Dateien (also .doc, .jpg oder .pdf) und – jetzt wird es interessanter – jemandes große Bedeutung als Persönlichkeit. Das Wort Format kann sich also gleichermaßen auf etwas vielfach Reproduzierbares beziehen wie auf dessen Gegenteil. Die zweite Interpretation soll hier zur Anwendung kommen. Es geht um Mainfranken, es geht um „Kultur mit Format“. 

Kulturredakteure neigen zum Lokalpatriotismus. Das liegt einerseits daran, dass die intensive und oft persönliche Beschäftigung mit Künstlern und Kunst fast zwangsläufig zu Identifikationsprozessen führt. Das ist verzeihlich, vorausgesetzt, diese Identifikation bleibt immer eine mit dem Fachgebiet, mit dem Bekenntnis zu Vielfalt und Qualität und nicht eine mit den handelnden Personen.

Und das liegt andererseits daran, dass die deutsche Kulturlandschaft einzigartig ist. Über die Hälfte aller weltweit etwa 180 Opernhäuser steht in Deutschland. Nicht umsonst hat die Kultusministerkonferenz die Theater- und Orchesterlandschaft dieses Landes für die internationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes nominiert. 

Wünschenswert wäre allerdings, dass es nicht bei ehrenvollen Einträgen in Listen bleibt, schließlich ist diese Theater- und Orchesterlandschaft überall da gefährdet, wo die öffentliche Hand in finanziellen Nöten ist. 

Und auch wenn die Hiobsbotschaften in aller Regel aus Nordrhein-Westfalen kommen, mitunter aus den neuen Bundesländern, so kannte auch das Mainfranken Theater Würzburg – einhergehend mit den Finanzproblemen der Stadt selbst – turbulente Zeiten. Diese scheinen überstanden, das Haus musste keine Sparte schließen. 

Derzeit wird der 1966 eröffnete Bau grundsaniert und bekommt eine zusätzlich Spielstätte – der zum Faulhaber-Platz hin angedockte Kopfbau beherbergt das Kleine Haus mit etwa 300 Plätzen. Selbst massive Verzögerungen und Kostensteigerungen haben bislang noch nicht dazu geführt, dass die Institution Mainfranken Theater erneut grundsätzlich infrage gestellt wurde. Einen Eröffnungstermin für das neue Theater, das dann auch Staatstheater werden wird, gibt es allerdings noch nicht. Gespielt wird einstweilen in der Theaterfabrik Blaue Halle auf dem Gelände der Firma Va-Q-tech in der Dürrbachau.

Auch das Theater der Stadt Schweinfurt, ein renommiertes Gastspielhaus mit knapp 800 Plätzen, ist derzeit gezwungen, auf eine Ersatzspielstätte auszuweichen – es stammt ebenfalls aus dem Jahr 1966 und muss von Grund auf saniert werden. Die Wiedereröffnung ist für den Start der Saison 2026/27 geplant, Theaterfreunde hoffen dann wieder auf Gastspiele der Münchner Kammerspiele, des Bayerischen Staatsschauspiels oder der Bamberger Symphoniker.

Mainfranken erfreut sich trotz dieser – temporären – Einschränkungen einer selbst für deutsche Verhältnisse einzigartig vielfältigen Kulturlandschaft. Insofern sollte hier wohl eher von Regional- anstatt von Lokalpatriotismus die Rede sein, zumal dieses Angebot nicht nur in den Zentren stattfindet, man denke nur an das Theater Schloss Maßbach mitten auf dem Lande.

Die schwimmende Bühne des Hafensommers neben dem Kulturspeicher und vor der Industriekulisse am Alten Würzburger Hafen hat schon manchen internationalen Star nach Würzburg geholt.
Die schwimmende Bühne des ­Hafensommers neben dem Kulturspeicher und vor der Industriekulisse am Alten Würzburger Hafen hat schon manchen internationalen Star nach Würzburg geholt. Foto: Stadt Würzburg, Sophia Hartl

Interessanterweise ist den wenigsten Unterfranken bewusst, wie breit das Angebot tatsächlich ist. Opernfans werden die beiden großen Theater im Auge behalten, Rockfans die großen Hallen oder Stadien, Klassikfans die großen Festivals. Die Gesamtschau bleibt wohl – berufsbedingt – dem Kulturredakteur vorbehalten. Eine Bestandsaufnahme (die mit Sicherheit den Makel der Unvollständigkeit trüge) würde jeden Rahmen sprengen. Deshalb hier nur einige wenige exemplarische Schlaglichter.

In den Nullerjahren, als in Schweinfurt das Museum Georg Schäfer entstand, die Stadtbücherei im Ebracher Hof und schließlich die Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad, blickten nicht wenige aus Würzburg mit einer Portion Neid in Richtung der Industriestadt, die lange als grau und reizlos verschrien war.

Inzwischen läuft, wie beschrieben, die Sanierung des Mainfranken Theaters (wenn auch mit reichlich Rückschlägen), außerdem entsteht auf der Würzburger Festung Marienberg das Museum für Franken – das ehemalige Mainfränkische Museum heißt längst so, der eigentliche Umbau der Hauptburg steht noch bevor und wird einige Jahre in Anspruch nehmen.

Doch Format muss nicht unbedingt mit Größe zu tun haben. Man denke nur an Veit Relins (1926–2013) winziges Torturmtheater in Sommerhausen, das seine Witwe Angelika Relin erfolgreich weiterführt. Hier besteht das Format in einer pfiffigen Stückauswahl und herausragenden schauspielerischen Leistungen. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Mains, hat sich in Winterhausen das Theater Sommerhaus etabliert. Geführt von Brigitte und Mascha Obermeier und Hannes Hirth, die außerdem alljährlich der Kinderfestspiele Giebelstadt verantworten, hat es mit einem Mix aus unterhaltsamen und tiefergehenden Stücken ein treues Stammpublikum gefunden.

Das Flamenco Festival in Würzburg bietet eine besondere Portion Leidenschaft und steht für Weltoffenheit und Vielfalt in der Region
Das Flamenco Festival in Würzburg bietet eine besondere Portion Leidenschaft und steht für Weltoffenheit und Vielfalt in der Region. Foto: Schmelz-Fotodesig

Während das Torturmtheater mitunter als kleinstes Theater Deutschlands firmiert, haben andere Häuser herkömmlichere Superlative aufzuweisen. So beherbergt das Museum Georg Schäfer die größte Privatsammlung von Malerei des 19. Jahrhunderts aus dem deutschsprachigen Raum, darunter die größte Sammlung mit Gemälden von Carl Spitzweg überhaupt. Das Museum für Franken wiederum besitzt mit rund 80 Werken die weltweit größte Riemenschneider-Sammlung.

Kunst der Gegenwart gibt es an vielen Orten zu sehen, im Museum im Würzburger Kulturspeicher etwa, das eine bedeutende Sammlung mit Konkreter Kunst sein eigen nennt, und in der Kunsthalle Schweinfurt. Das Haus richtet außerdem eine vielbeachtete Triennale für zeitgenössische Kunst aus.

Veranstalter werben gerne mit dem Slogan „für jeden was dabei“. Für Mainfranken erscheint er fast unausweichlich. Liebhaber klassischer Musik etwa halten sich besser die Monate Juni und Juli frei, wenn Mozartfest Würzburg und Kissinger Sommer nahezu täglich Weltstars auf ihre Bühnen schicken.

Kabarett mit allen bekannten Größen bietet die Disharmonie in Schweinfurt. Hier gibt es mit dem Stattbahnhof im Übrigen einen weithin gefragten Auftrittsort für Punk- und Hardcore-Bands. Konzerte im Großformat finden vor allem in der Würzburger Posthalle, im Congress Centrum oder der tectake-Arena statt. Wer Sinn für Außereuropäisches und/oder Unkonventionelles hat, der besucht in Schweinfurt den Nachsommer und in Würzburg Africa Festival oder Hafensommer.

Hinzu kommen: Privattheater, Kunst- und Tanzprojekte, Literaturtage, Freilichtfestspiele, Jazzfestivals und vieles mehr. Viele, viele Formate mit Format also.

 

Titelbild: Jedes Jahr im Juli zieht das ausgelassene Historienspektakel ­Tausende von ­Besuchern nach Bad Kissingen und feiert die Wiederentdeckung der Rakoczy-Quelle im Jahr 1737. Darsteller verkörpern dabei die historischen Gäste der Stadt – von Otto Fürst von Bismarck über Theodor Fontane bis zu Zar Alexander II u.v.m. Foto: Mario Selzer