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Bundeswehr

Mehrmals in der Woche schaut Oberst Stefan Leonhard (rechts) bei den Lehrgängen in Hammelburg vorbei, um die Qualität der Ausbildung hochzuhalten. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig

Wirtschaftsmacht in Flecktarn

Die Bundeswehr ist nicht nur einer der größten Arbeitgeber in der Region. Von der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt hat sich um die vier mainfränkischen Standorte herum ein wirtschaftliches Ökosystem herausgebildet, in dem jedes Jahr zig Mio. Euro umgesetzt werden. Davon profitiert der gesamte Wirtschaftsstandort.

Mainfranken und das Militär – das gehört beinahe schon traditionell zusammen. Soldaten haben über Jahrzehnte das Straßenbild in Würzburg, Schweinfurt, Bad Kissingen, Kitzingen und anderen Städten geprägt. Und das aus gutem Grund: Aufgrund der ­unmittelbaren Nähe zur innerdeutschen Grenze ­hatten Militärstrategen der NATO Osthessen und Main­franken einst als potenzielle Einfallskorridore für die Armeen des Warschauer Pakts identifiziert. Bekannt wurden diese unter den Namen „Fulda Gap“ und „Würzburg Gap“. Entsprechend stark war die ­militärische Präsenz der NATO-Armeen in Main­franken, in erster Linie der US Army sowie der ­Bundeswehr.

Von ehemals 13 Standorten sind nur die vier Bundeswehr­standorte Hammelburg, Veitshöchheim, Volkach und Wild­flecken erhalten geblieben. Insgesamt arbeiten dort rund 4000 Soldatinnen und Soldaten. Sie alle bringen Kaufkraft in die Region. Allein am Standort Hammelburg überweist die Bundeswehr ihren Soldatinnen und Soldaten im Jahr rund 100 Mio. Euro an Sold. Schätzungen zufolge dürften davon rund zwei Drittel den Weg in den Wirtschaftskreislauf finden – und ­damit auch mainfränkischen Unternehmen zugute kommen. Ohnehin wäre Mainfranken ohne die Bundeswehr deutlich ärmer, nicht nur wirtschaftlich. Die Soldaten erwarten ein kulturelles und kulinarisches Angebot in der Region. Dazu kommt: Das Militär ist auf eine gute Verkehrsinfrastruktur angewiesen, auf der Straße und auf der Schiene. „Eine zuverlässige Anbindung an den ÖPNV ist wichtig für uns“, schildert der Hammelburger Standortälteste Oberst Stefan Leonhard. Viele Soldaten und die allermeisten Lehrgangsteilnehmer pendeln nach Hammelburg, ein Großteil davon mit dem Zug. Rund ein Drittel aller Soldaten wohne in der Region, sagt Leonhard.

Auf dem Lagerberg verrichten aktuell rund 1650 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst, hinzu kommen rund 650 Zivil­beschäftigte, die den Standort verwalten. Unter ihnen sind ­Industriemechaniker, Schreiner und Landschaftsgärtner genauso wie Verwaltungsfachkräfte. Der Jahresetat für Hammelburg beläuft sich aktuell auf etwa 17 Mio. Euro. Davon entfallen rund sieben Mio. Euro auf den Bauunterhalt und noch einmal die gleiche Summe auf den Liegenschaftsbetrieb. Etwas ­weniger als drei Mio. Euro gibt die Bundeswehr pro Jahr für die Be­wachung des Standorts aus. Waren es früher meist Wehrdienstleistende, die das Tor bewachten, sind es heutzutage Mitarbeiter einer ­Sicherheitsfirma.

Alle vier mainfränkischen Standorte zusammen kommen auf hochgerechnet rund 63 Mio. Euro pro Jahr für laufende Ausgaben wie Bewachung, Bauunterhaltung und Materialbeschaffung. Ein nicht unerheblicher Teil davon fließt in die regionale Wirtschaft. Vor allem kleine und mittelständische Unter­nehmen profitieren von den gewachsenen Strukturen vor Ort: Die 1,3 Mio. Euro für den Geschäftsbedarf des Standorts Hammelburg – Bürostühle, Tische, Druckerpapier, Stifte, Büroklammern und Ähnliches – dürften regionalen Firmen ebenso zugute kommen wie die 2,8 Mio. Euro für die Materialerhaltung – also zum Beispiel die externe Wartung der Dienstwagen. Und auch ein Teil des Fortbildungsbudgets von rund zwei Mio. dürfte an regionale Bildungsträger gehen.

Derzeit entstehen neue Unterkünfte in der Hammelburger Saaleck-Kaserne. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig
Derzeit entstehen neue Unterkünfte in der Hammelburger Saaleck-Kaserne. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig

Gigantische Bauvolumina

Im Rekordtempo entstehen mitten in der Hammelburger Saaleck-Kaserne für rund 30 Mio. Euro mehrere Unterkunftsgebäude. „Wir haben hier künftig Einzelzimmer mit Hotel­standard. Und zwar unabhängig vom Dienstgrad“, so Leonhard. Bisher müssen sich vier Kameraden ein Zimmer teilen, früher waren es sogar acht. Langfristig wird die Einzelunterbringung zum neuen Standard in Hammelburg – und das lässt sich die Bundeswehr rund 150 Mio. Euro kosten. Das mag auf den ersten Blick teuer erscheinen. Unterm Strich sei der Neubau aber deutlich günstiger, sagt der Standortälteste. „Die Betriebs- und Instandhaltungskosten der alten Gebäude sind auf Dauer einfach zu hoch.“ Die neuen Gebäude werden nach den aktuellsten Klimaschutz-Standards gebaut, die der Staat für eigene Neu­bauten vorschreibt. Stichwort CO2-Neutralität.

 

Derzeit werden am Standort Hammelburg 55 Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von rund 466 Mio. Euro umgesetzt. An allen vier mainfränkischen Standorten sind es aktuell 149 Bauprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 1,5 Mrd. Euro. Und auch davon fließt ein nicht unerheblicher Teil in die regionale Wirtschaft. 

Einer der größten Lehrbetriebe

Wäre die Bundeswehr ein Unternehmen, sie könnte mit den ganz Großen mithalten. Rund 260.000 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter – 180.000 Soldatinnen und Soldaten plus 80.000 Zivilbeschäftigte – würden sie auf Platz acht der ­größten ­Unternehmen hierzulande katapultieren. Kleiner als Fresenius und Siemens, aber größer als die Deutsche Telekom und ­Continental. Und wie die Global Player ist auch die Bundeswehr Arbeitgeber für viele verschiedene Beschäftigte, nicht nur für Soldatinnen und Soldaten. Ingenieure arbeiten hier ebenso wie Ärzte, Juristen, Bürokaufleute oder Handwerker. Und sie bildet viele junge Menschen aus – auch in IHK-Berufen. In der Kaserne Hammelburg sind es rund 150 Auszubildende, darunter 18 Industriemechaniker. Die duale Berufsausbildung habe bei der Bundeswehr schon immer einen hohen Stellenwert ­gehabt, sagt Leonhard. Sicher nicht ohne Hintergedanken: Der eine oder andere Azubi könnte nach der Ausbildung eine zivile oder militärische Laufbahn bei der Bundeswehr einschlagen.

Bleibt die Frage: Wie entwickelt sich das Engagement der Bundeswehr in der Region? Die Zukunft der vier mainfränkischen Standorte scheint gesichert. Wildflecken gilt als künftige IT-Schwerpunkt-Kaserne, hier könnte ein Rechenzentrum ent­stehen. Der 10. Panzerdivision, deren Stab in Veitshöchheim sitzt, kommt in der aktuellen geopolitischen Lage ohnehin eine besondere Bedeutung zu. Sie soll zeitnah eine hohe Kaltstart­fähigkeit erreichen. Veitshöchheim wird daher vom Sonder­vermögen der Bundeswehr profitieren, etwa bei der Digitalisierung. Und auch Hammelburg profitiert: Wie kürzlich bekannt wurde, soll das Heer 100 australische Gefechtsfahrzeuge vom Typ „Combat Reconnaissance Vehicle“ erhalten, an denen die Soldaten in der Hammelburger Saaleck-Kaserne ausgebildet werden. Oberst Stefan Leonhard blickt daher optimistisch in die Zukunft der Infanterieschule. Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als unwahrscheinlich, dass die regionalen Unternehmen auch in Zukunft von der Bundeswehr profitieren – und die Bundeswehr von den Unternehmen.

Oberst Stefan Leonhard, im Jahr 2023 der Standortälteste der ­Bundeswehr in Hammelburg. In dieser Funktion hält er unter anderem Kontakt zur regionalen Wirtschaft. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig
Oberst Stefan Leonhard, im Jahr 2023 der Standortälteste der ­Bundeswehr in Hammelburg. In dieser Funktion hält er unter anderem Kontakt zur regionalen Wirtschaft. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig

Titelbild: Mehrmals in der Woche schaut Oberst Stefan Leonhard (rechts) bei den Lehrgängen in Hammelburg vorbei, um die Qualität der Ausbildung hochzuhalten. Foto: Bundeswehr/Benjamin Bendig